Jeder Bestellung folgt eine Rechnung, die sowohl zum Kunden übermittelt als auch in der eigenen Buchhaltung erfasst werden muss. Zu selten sind Marktplätze direkt an das Händlersystem angeschlossen. Kanalbrüche führen in der Praxis dazu, dass Rechnungen oft fehlerhaft übermittelt oder nicht rechtssicher erstellt werden. Auf dem Papier sieht alles vermeintlich einfach aus. Denn Untersuchungen zeigen: E-Invoicing führt zu Kosteneinsparungen, weniger Fehlern, höherer Prozessqualität und geringerer Prozesskomplexität. Auch Spirituosenhändler Jethwa bestätigt das Potential: „Dies bringt uns einen schnelleren Durchlauf und die Kundenzufriedenheit steigt, was sich deutlich aufden Umsatz ausgewirkt hat.“ E-Invoicing – Nutzen garantiert? Die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin hat dazu in einer qualitativen Umfrage Interviews mit Verantwortlichen aus Einkauf und Accounting durchgeführt. Die Ergebnisse stehen in krassem Widerspruch zur Theorie.
Die fünf Stolpersteine des E-Invoicing
Insbesondere KMU geraten unter Druck: Nicht nur öffentliche Unternehmen, auch privatwirtschaftliche Konzerne – etwa aus der Automobilbranche – verlangen zunehmend ZUGFeRD-konforme Rechnungen (Akronym für „Zentraler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland“ und gleichnamiges Format für elektronische Rechnungen) von ihren Lieferanten. Für etwa die Hälfte der Gesprächspartner war jedoch der ZUGFeRD-Standard entweder unbekannt oder nur ein Begriff. Wie kann es sein, dass solch ein aktuelles Thema in der Praxis vernachlässigt wird?
„Nicht mein Kerngeschäft“
Der Rechnungsprozess ist für die Meisten nur notwendiges Übel im Rahmen der ordnungsgemäßen Buchführung. Der Grund: Eine Optimierung führt nicht sofort zu Umsatzsteigerung – Investitionen werden daher vermieden. In der Umfrage bestätigten Unternehmen, die bereits ZUGFeRD nutzen, eine Sinnhaftigkeit aus strategischer Sicht. In einem Punkt waren sich jedoch alle Befragten einig: Rein finanziell lohnt sich die Umstellung frühestens nach dem zweiten Jahr.
„Das haben wir schon immer so gemacht“
Veränderungen begeistern selten. Entscheider fürchten den „first-mover-disadvantage“: Wer zu früh agiert, geht Risiken ein. Welche Standards sich durchsetzen, ist keineswegs eindeutig. Es ist durchaus eine legitime Strategie, auf verbesserte, getestete Lösungsangebote zu warten.
Der „Internet-ist-Neuland“-Effekt
Bei der Umsetzung von E-Invoicing benötigen Unternehmen technisches Knowhow, das intern oft fehlt. Besonders für traditionelle Branchen – wie beispielsweise dem Foodsektor – ist es schwierig, die Prozesse ohne zusätzliche Kosten für Externe umzustellen. Bei guter Auftragslage warten Unternehmenslenker lieber ab.
Fehlende Markttransparenz
Von In-House-Lösungen über Umwandlungsplattformen (Elektronischer Datenaustausch – EDI) bis zum vollständigen Rechnungsmanagement aus der Cloud wird für jeden Anwender ein Lösungsansatz geboten. Fehlt im Unternehmen jedoch das entsprechende Knowhow oder die Zeit sich mit den Anforderungen der Formate auseinanderzusetzen, so bleibt große Unsicherheit. Der Entscheidungsbaum „E-Invoicing – Was ist zu beachten?“ hilft dabei, eine adäquate Lösung zu finden.
E-Invoicing als kleines Zahnrad
Der Rechnungsprozess ist Teil einer komplexeren „Auftragsbearbeitung”. Die Anpassung kann weitgreifende Änderungen in anderen Unternehmensbereichen nach sich ziehen. Umfrageteilnehmer wiesen darauf hin, dass „eine Vielzahl an Kostenstellen an der Umstellung beteiligt waren”.
Unternehmen im Rechnungsaustausch mit öffentlichen Verwaltungen müssen ab sofort das Format „X-Rechnung“ erfüllen. ZUGFeRD 2.0 überträgt diesen Ansatz auf die europäische Ebene. Langfristig wird sich die digitale Auftragsbearbeitung für alle Unternehmen durchsetzen. Diese müssen sich aber bei der Wahl des Zeitpunktes fragen: Kann ich durch E-Invoicing die Kollaboration mit meinen Kunden oder Lieferanten kurzfristig spürbar verbessern?
Die Ausgestaltung einer Lösung hängt vor allem von den Funktionen des eingesetzten ERP-Systems ab. Trotz vieler Ankündigungen unterstützt aktuell kaum ein Softwareanbieter ZUGFeRD 2.1. Hier kann entweder eine Erweiterung (ein Add-
On zur Software) oder eine Konvertierungslösung (eine externehmen bestimmen, welchen Teil der Umsetzung externe und interne Ressourcen übernehmen.
Spirituosenhändler Southern Spirits hat sich wegen der Prozessvorteile für E-Invoicing entschieden. Die Umsetzungsgeschwindigkeit ist bei ausgehenden und eingehenden Rechnungen jedoch unterschiedlich: Der gesamte Prozess im Rechnungsausgang ist – inklusive Marktplätze – voll digitalisiert und automatisiert. Dazu verwendet er existierende Add-Ons, die Verkaufsplattformen anbieten.
„Bei eingehenden Rechnungen werden wir wohl noch einige Zeit warten müssen“, so Akasha Jethwa. Getränkeproduzenten versenden weiterhin papierbasierte Zechnungen.
ZUGFeRD 2.1
2014 wurde vom „Forum elektronische Rechnung Deutschland“ das ZUGFeRD-Format für die elektronische Rechungsstellung in der ersten Version veröffentlicht. Ziel der Initiative ist, die Vereinfachung der Rechnungsstellung zwischen Unternehmen und Auftraggebern der öffentlichen Hand. Eine ZUGFeRD-Rechnung besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: Aus einer visuellen Darstellung als pdf für den Menschen und aus einem maschinenlesbaren Anhang in XML-Format. In diesem Jahr wird die Verwendung der ZUGFeRD-Spezifikation bei Auftraggebern der öffentlichen Hand Pflicht. Die jeweils aktuelle Spezifikation ist unter http://www.ferd-net.de zu finden, die neuste Version 2.1 erschien im März 2020.
Ein Beitrag von Prof. Dr. Sven Pohland, Steffen Garbisch.
Veröffentlicht auf www.e-commerce-magazin.de